Therapeuten in der Kritik
Die Auswahl an möglichen Therapeuten und Therapiemethoden sind zwischenzeitlich vielfältig. Uns stehen etliche Möglichkeiten zur Verfügung, für unsere individuellen Bedürfnisse den passenden Therapieansatz zu finden. Es hat sich inzwischen bei vielen Pferdebesitzern etabliert, regelmäßig einen Therapeuten zu rufen, sei es zur Vorsorge, oder um große und kleine Probleme zu beheben. Der Markt an Therapeuten ist riesig und leider ist dies nicht unbedingt immer ein Merkmal für Qualität, im Gegenteil. Deshalb finde ich es sehr wichtig, an diesen Berufsständen Kritik zu äußern, natürlich so sachlich und konstruktiv wie möglich. Es ist nicht das Ziel, irgendjemanden persönlich anzugreifen, sondern auf Missstände aufmerksam zu machen, damit hier ein Fortschritt stattfinden kann und um ein Bewusstsein für uns Pferdebesitzer zu schaffen, wie wichtig es ist, diese Dinge und auch Personen kritisch zu hinterfragen.
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Definieren wir zuerst, was das Ziel eines Therapeuten ist und wann dieser zum Einsatz kommt. Grundsätzlich gilt zuerst: die Aufgabengebiete eines Therapeuten sind die Vorsorge, Begleitung einer medizinischen Behandlung, oder die Nachsorge (Reha), aber niemals ersetzt ein Manualtherapeut oder Heilpraktiker einen Tierarzt! Diejenigen, die sich als Konkurrenz vermarkten, sind grundsätzlich als unseriös zu bewerten. Medizin ist kein Konkurrenzkampf. Ein Therapeut soll den Tierarzt nicht ersetzen, er soll eine Ergänzung sein. Umgekehrt gilt das gleiche, ein guter Therapeut ist ebenso wenig durch einen Tierarzt zu ersetzen. Es ist ein Nebeneinander, oder am besten ein Miteinander. Viele Therapeuten können erst richtig arbeiten mit der Diagnostik eines Tierarztes.
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Also was ist nun die Aufgabe manueller Therapie?
​​Jede Form von Physiotherapie, Osteopathie, oder Chiropraktik hat das Ziel, Einschränkungen der Körperfunktionen zu vermeiden, zu verbessern oder zu beseitigen. Es sollen die physiologischen Bewegungsabläufe wieder möglich gemacht werden, die meistens durch Schon- und Kompensationshaltungen entstanden sind.
Wenn wir diese Störungen langfristig auf ein Minimum beschränken wollen, müssen wir uns zunächst fragen, wo die Ursache dieser zu suchen sind. Also woher kommen sie? Wer einen Job am Schreibtisch hat, weiß woher die Verspannung in seinem Genick kommt und die Antwort des Therapeuten ist meist simpel: Weniger sitzen, mehr Ausgleichssport. Aber beim Pferd? Hierzu muss uns allen zunächst eine unbequeme Tatsache bewusst werden:
Der Großteil aller Probleme im Bewegungsapparat kommen von der Nutzung als Reitpferd.
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Die Natur hat das Pferd nicht dafür geschaffen vom Mensch geritten zu werden. Wer also ein Pferd reiten oder anderweitig nutzen möchte, muss seinem Pferd ein entsprechendes Training zukommen lassen, um es überhaut in die Lage des gewünschten Einsatzes zu bringen. Dafür gibt es etliche Methoden und Ideologien. Aber die Art und Weise Pferde auszubilden und zu nutzen ist ein ganz eigenes Thema.
Also egal wie wir uns entscheiden, ein Pferd zu trainieren, an der Anatomie und Physiologie des Pferdekörpers kommen wir nicht vorbei. Der Großteil aller Therapeuten und Tierärzte wären arbeitslos, wenn wir alle unser Training hiernach richten würden. Hier kollidieren allerdings Wunsch und Wirklichkeit miteinander...
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Der Umstand, dass der Großteil der Störungen im Bewegungsapparat im Training und der daraus folgenden Nutzung zu suchen sind, bedeutet für uns Therapeuten, dass es eigentlich unumgänglich ist, zumindest die Grundsätze der Trainingslehre und um ihre anatomischen Bedeutung zu wissen. Wenn ich als Therapeut nicht erkenne, dass Ein und die Selbe Störung oder Verspannung immer und immer wieder auftritt und ich behandle diese einfach nur erneut, dann kann ich als Therapeut zwar gutes Geld verdienen, aber wenn an der Ursache nichts verändert wird, ist dem Pferd und dem Besitzer damit nicht geholfen. Mit Tierwohl hat das Ganze dann nichts mehr zu tun.
Und das muss in diesen Berufen stehts oberste Priorität haben! Schon Hippokrates lehrte uns mit seinem "Eid des Hippokrates" wie wichtig etische Werte in der Medizin sind und wir Therapeuten sollten uns unserer Verantwortung gegenüber der Gesundheit anderer stehts bewusst sein!
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Wünschenswert wäre, dass der Therapeut den Pferdebesitzer auf die Problematiken aufmerksam macht, die er selbst nicht beheben kann. Und es ist auch nicht die Aufgabe eines Therapeuten, den Reiter zu korrigieren! Das ist nicht Teil des Kompetenzbereiches des Manualtherapeuten oder Heilpraktikers. Ausgenommen es handelt sich um einen Sportmediziner, diese therapieren mit aktiver Bewegung und besitzen hier dadurch die notwendige Kompetenz. An eben so jemanden, oder einen Pferdeausbilder sollte der behandelnde Therapeut verweisen. Zur Veranschaulichung vergleichen wir es mit einer Überweisung vom Arzt an einen Fachmediziner. Das gleiche gilt für die Hufe. Auch ein Thema, das der Therapeut nicht selbst behandeln können muss, aber einen Missstand erkennen sollte er, um den Pferdebesitzer darauf aufmerksam machen zu können. Oder den Verweis an einen Sattler, zur Überprüfung des Equipments. Das gleiche gilt natürlich auch in die andere Richtung, der Sattler, Hufbearbeiter, oder Trainer sollten an einen Therapeuten oder Tierarzt verweisen, wenn hierfür ein Anlass besteht.
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Es scheint für viele eine Schande zu sein, wenn sie nicht alles selbst machen können. Wer aber zu viele Dinge versucht selbst zu tun, kann in allem nicht mehr als mittelmäßig sein. Was nicht bedeutet, dass man sich nicht in vielen Dingen bilden darf, aber der Fokus muss auf einem Tätigkeitsschwerpunkt liegen, in dem man sich besonders gut auskennt. Wir stellen uns einmal vor es gäbe einen Arzt der Kardiologe, Neurologe, Orthopäde und Zahnarzt in einem ist. Und dann am besten noch sowohl im Human- als auch Veterinärwesen. Das dass nicht funktionieren kann, sollte jedem klar sein.
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Diejenigen die versuchen mehrere Teilbereiche selbständig abzudecken und sich dann als Alleskönner verkaufen und z.B. Homöopathie, Hufpflege, Life Coaching und Ernährungsberatung anbieten, sind kritisch zu bewerten, weil keine wirkliche Expertise in einem dieser Bereiche vorliegen kann. Und dann bietet man das Ganze am besten auch noch für Hund, Katze, Pferd und Mensch an. Grade speziesübergreifende Therapeuten sind extrem kritisch zu betrachten. Man solle sich doch bitte entscheiden, ob man sich auf Kleintiere oder Pferde spezialisiert. Medizin und erst recht die für das wahnsinnig komplexe Lebewesen Pferd ist so ein riesengroßes Thema, dass es schon unmöglich ist, sich in jedem Bereich rund ums Pferd vollumfassend auszukennen, wie soll man dann auch noch Experte für eine andere Spezies sein?
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Jede (seriöse) Therapieform hat ihre Daseinsberechtigung. Und wir sollten es als Qualitätsmerkmal werten, wenn ein Therapeut uns an einen anderen Fachbereich verweist! Es ist ein Zeugnis von Verantwortungsbewusstsein die Grenzen des eigenen Kompetenzbereiches zu kennen und ganz pro Pferd an einen anderen Bereich zu verweisen.
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Und in einer perfekten Welt, arbeiten am Ende alle Bereiche Hand in Hand zusammen, um das Wohl unserer Pferde an erste Stelle zu setzen!​​​​​​​​​​​​​​​​​​​