Der Bruch
Dann klopfte die Katastrophe an unsere Tür:
Bei uns gab es kurz nach Neujahr Blitzeis und mein Pferd stürzte vor dem Stall. Fin versuchte mehrmals wieder aufzustehen, aber keine Chance. Den Großen legte es jedes Mal aufs Neue auf den Asphalt. Zuletzt versuchte er nicht mal mehr aufzustehen. Erst mit viel Streugut und eine Weile warten später, bekamen wir mein Pferd wieder auf die Füße. Ich musste ihn richtig anbetteln, damit er überhaupt nochmal versuchte, aufzustehen.
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Am Tag danach sah mein Pferd aus, wie ein einziges Hämatom: 3 von 4 Beinen dick und überall aufgeschwollen. Ab da ging er dann auch lahm. Nach dem Besuch des Tierarztes und der Osteopathin hieß es, dass die Lahmheit wohl von einem Sehnenschaden kommen würde. Daraufhin bin ich, auf Anweisung, nur noch auf hartem Boden spazieren gegangen. Aber es wurde einfach nicht besser.
Im Mai hatte ich dann endgültig genug und rief wieder die Tierärztin an. Es konnte einfach nicht sein, dass es so gar nicht besser wurde! Diesmal untersuchte sie, auf mein drängen hin, mein Pferd gründlicher. Und nachdem sie ein Röntgenbild vom linken Vorderhuf machte, erklärte es endlich, warum mein Pferd lahm ging.
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Ein scheußlicher Bruch des Hufgelenks und das auch noch so ungünstig, dass das abgebrochene Stück Knochen nicht entfernt werden konnte, weil er an der Statik maßgeblich beteiligt ist.
Die Tierärztin hätte mein Pferd am liebsten direkt nach dem Röntgen eingeschläfert. Doch als ich das ablehnte, fing sie an zu schimpfen, dass das nicht mehr zusammen wachsen und mein Pferd wahnsinnige Schmerzen haben würde. Aber ich blieb bei Nein und schickte sie wieder weg. Ich stand unter Schock und wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Für mich stand fest, ich würde mein Pferd nicht leiden lassen, sollte es keine Möglichkeit auf Besserung geben. Doch wenn ich mein Pferd ansah, passte sein Verhalten einfach nicht zu dem, was die Tierärztin sagte.
Trotz dieser Diagnose ging Fin jeden Tag freudestrahlend auf die Koppel und tobte dort, trotz Lahmheit, mit seinen Kumpels herum. Wahnsinnige Schmerzen sahen für mich einfach anders aus.
Daraufhin rief ich bei allen Kliniken in meiner Nähe an. Von den meisten bekam ich einen Nervenschnitt vorgeschlagen, aber das kam für mich nicht in Frage. Die beste Aussage bekam ich von dem Tierarzt, der Fin damals kastriert hatte. Er meinte, medizinisch gesehen, wäre die Schädigung an dem Gelenk als Totalschaden einzustufen. Bei einem Menschen, mit solch einer Verletzung, würde man ein künstliches Gelenk einsetzen. Aber er sagte auch, dass ich ihn als Frührentner einstufen und ihn einfach auf die Koppel stellen könnte. Wenn ihm eine Bewegung wehtäte, würde er es schon bleiben lassen und wenn er dann nur noch auf drei Beinen daherkäme, müsste man ihn halt einschläfern. Das war die beste Aussage, die ich bis dahin bekommen hatte und gab mir Handlungsspielraum noch etwas herum zu probieren, ob es irgendwie besser wurde.
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Ich begann nach ähnlichen Fällen zu recherchieren, fand jedoch nichts. Am Ende, als nichts mehr übrig blieb, was ich noch ausprobieren konnte, fragte ich in meiner Verzweiflung eine Kräuterkundige aus dem Allgäu. Eigentlich ist sie auf Menschen spezialisiert. Ich griff schon seit vielen Jahren, für mich selbst, auf ihr umfangreiches Fachwissen und ihre Produkte zurück. Daher hoffte ich, dass sie mir helfen könne. Ich schilderte ihr mein Problem und sie gab mir ein paar Tipps, die ich auch direkt ausprobierte. Sie empfahl mir zum Beispiel, ihre Beinwellsalbe auf den Kronrand und die Stelle mit dem Bruch zu schmieren. Das machte ich daraufhin jeden Tag.
Nach kurzer Zeit wurde ich Zeuge eines unglaublich faszinierenden Phänomens: Das Horn, das ich eincremte, wurde immer dunkler und nach 3 Monaten konnte man den Unterschied sehr deutlich sehen. Auch lief mein Pferd zunehmend besser. Wo er vorher nur im Schritt lahmfrei war, trabte er plötzlich problemlos über die Koppel. Wenig später war gar nichts mehr von Lahmheit zu sehen. Er raste wie ein Bekloppter über die Koppel, legte Full Stops hin und buckelte ohne Probleme. Das Ganze ging so weit, dass mir unsere damals neu eingezogene Stallkollegin erklärte, hätte sie das Röntgenbild nicht gesehen, würde sie behaupten, er hätte nur simuliert.
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Nachdem Fin wieder laufen konnte, begann ich vorsichtig wieder mit dem Training und schließlich dem Reiten. Auch hier keine Spur mehr von Lahmheit! Ich war überglücklich, dass ich mein Pferd wieder hinbekommen hatte, obwohl mir alle erklärt hatten, dass hier nichts mehr zu retten sei.
Und nochmal unverschämtes Glück im Unglück …
2015
2017
2016
2020
Übrigens wird heute dieses Röntgenbild nicht nur von meiner befreundeten Tierärztin gerne gezeigt, sondern auch einer meiner Professoren bei der ATM wollte es für seine Unterlagen und zu Präsentationszwecken.